Bevor der Probeführerschein mit 17 erfunden wurde, lange vor Handy-Besitz unter Teenagern und noch frei von Skype, Live-Chats und Facebook gab es eine magische Zahl, die den Durchbruch schaffte von der Gängelung des Elternhauses hin zur großen Freiheit: Endlich 18! Führerschein, erstes Auto und endlich Urlaub ohne Erziehungsbeauftragte - Welt, wir kommen!
Real hieß damals noch massa und hatte für stattliche 79 demark ein 2-Personen-Iglu-Zelt im Angebot, die Schwipp-Schwager-Verwandtschaft spendete einen gebrauchten Campingkocher und in Südfrankreich lockte Sonne satt; kurz: wir waren voll ausgestattet, sogar ein kleiner Standspiegel war dabei. Die einzigen darüber hinaus gehenden Möbelstücke waren luftverlierende Luftmatratzen und aufgerollte Schaumstoffscheiben, die damals Isomatten hießen und in jedem Campingbedarfsregal der Supermärkte zu kriegen waren. Sitzmöbel = Strandmatten im Gras oder gelegentlich auch der Kofferraumdeckel des Autos (wenn die Situationen eine von-oben-herab-Perspektive erforderlich machte).
Bestens ausgestattet fuhren also zwei Grazien mit ihren druckfrischen rosa Führerscheinen gen Süden und büßten erst nach 800 km erste Fahrzeugteile ein. Als abenteuerhungrige Blondinen lernten wir schnell, dass es auch ohne Schraubverschluss bei Sonnenschein nicht in den Tank regnet, erweiterten aber dennoch unser Vokabular um die Frage: "Y-a-t'il une garage de Volkswagen prochain d'ici??".
Die nächsten Wochen schärften wir unsere Instinkte und waren zuverlässig überall dort anzutreffen, wo es kostenlos Essen, Trinken, Musik oder alles zusammen gab. Durch diverse alkoholduselige Versehen nahmen wir zwischendrin zwei Stühle aus der Camping-Bar mit vor unser Zelt, lasen vorbeikommenden Campinggästen aus Händen und Füßen, erkundeten die größte Disco Montpelliers und stellten fest, dass es auch im Süden morgens um 4 am Strand ganz schön schattig ist. Außerdem testete ich höchstpersönlich die Beschaffenheit der zerfledderten Strandmatten, die beim in-die-Sterne-gucken leider keine Garantie dafür waren, dass die Ameisen auf ihrer Seite der Welt bleiben.
Rückblickend betrachtet gab es in den ersten eigenen Urlaubs-Jahren wenig Action: die meiste Zeit hingen wir am Piscine rum, tranken warmen Pastis, gingen aus wenn es sich anbot und hingen rum, wenn sonst nichts los war. Irgendwie lernten wir damals ständig irgendwen kennen, der Campingplatz war voll von jungen Leuten mit Zelten und die wenige "Weiße Ware" stand verschämt in der hintersten Ecke des Geländes. Kultur? Fehlanzeige. Besichtigungen? Ach wo, alte Steine mussten wir auf Klassenfahrten schon genug ansehen! Sprachlich brachte es uns weit voran, vor allem mit Ausdrücken, die in keinem Wörterbuch stehen (wer weiß schon, was "méfu" heißt?!). Und statistisch erhoben wir Daten über die Kuss-Eigenschaften der verschiedenen Nationalitäten (Belgier gut, Araber hektisch, Deutsche wie gewohnt und Franzosen... hach, die Franzosen...!)
So angenehm es ist, sich heute mit vielen Dingen besser auszukennen - es geht doch nichts über die ersten Entdeckerjahre mit allen Wirrungen, Ahnungslosigkeiten, vertrödelten Hitzetagen und dramatischen Liebesflirts!