Welterkenntnisse einer Blondine

Viva la Felicità und alle suchen das große Glück. Die meisten suchen es in der Liebe, was nicht die schlechteste Idee ist. Andere suchen es in ihrer Karriere, wieder andere in einem schönen Haus oder Abenteuerurlauben oder ihren Hobbies. Das Erstaunliche am Glück ist jedoch, dass die Umstände weitgehend unwichtig sind: Single oder Familie, Haus oder WG, Sonne oder Regen - total egal!

Wer Kinder hat, hetzt jahrelang den Ansprüchen der Kinder, den eigenen Ansprüchen und der zerrinnenden Zeit hinterher - es gibt Knatsch mit dem Partner, weil beide zu kurz kommen, und schlimmstenfalls kriseln sogar gute Beziehungen.

Wer keine Kinder hat, beneidet glückliche Familien und wirft (bei kinderloser Beziehung) früher oder später dem Partner vor, dass kein Nachwuchs in die Welt gesetzt wurde.

Wer Single ist, sehnt sich nach Nähe und wer liiert ist, sehnt sich nach Ruhe und Freiheit.

So oder so: für das eigene Glückempfinden sind die o.g. Begleitumstände völlig irrelevant - unzufrieden oder nicht sind wir so oder so.

Wer es aber schafft, das zu genießen, was gerade möglich ist, der wird (ob mit oder ohne Zauberpfeife) nicht unbedingt aufhören zu suchen, aber unterwegs viel mehr schöne Momente mitnehmen.

Ausgehen mit Freundin, die ebenfalls Single ist. Mitten am Abend sieht sie sich stirnrunzelnd um und fragt: "Wo gibt es denn gepflegte, attraktive (Single-)Männer?" Kurz umgeschaut und festgestellt: hier nicht. Naja, von Salsa sollte man auch wirklich nur Tanzbares, nicht jedoch weitergehend-brauchbares erwarten. Ich konnte ihr nur antworten, dass ich in den letzten zwei Jahren genau zwei solcher Männer kennen gelernt habe - gute Quote, wie sie meint (erschreckend). Immerhin: mit beiden hatte ich eine Affäre und bin weiterhin befreundet.

Bin mir nur nicht sicher, ob das nun gegen das Angebot oder für die Nachfrage spricht...

Zugegeben, der Sommer und die WM laufen dieses Jahr komplett gegen den Trend - Favoriten scheiden aus, Temperaturen ziehen gen Süden und die Balkonpflanzen des Jahres sind Moos und Grünspan. Aber, ein weiterer Abstecher über Voltaire rückt die Perspektive wieder zurecht: das Wetter ist super! Es ist ideal, denn

1. das Motorrad bekommt nicht so viele km auf den Tacho und hält länger.
2. das Fahrrad steht im Keller gut geschützt und läuft nicht Gefahr, durch Benutzung verschmutzt zu werden.
3. Fernsehen bei Sonne (die Nachmittags-WM-Spiele!) ist schlecht für die Augen.
4. die Mitgliedschaft im Fitness-Center lohnt auch über die klassischen Sommermonate: wetterfestes Gebäude, Klimaanlage? - ach was, Heizung!
5. in der Bevölkerung wächst rapide die Akzeptanz, ach was: die Vorfreude auf die Klimaerwärmung.
6. kein Sonnenbrand!

Also: alles super

So ein Autowechsel macht sich ja nicht von allein, und so musste einiges bedacht werden: wie bekomme ich zwei Fahrzeuge mit einem Fahrer nach Hause? In welchen Klamotten kann ich ernsthaft Verträge abschließen, ohne nach "hat-Geld" auszusehen? Zieht bei Klischee-Türken-Autohändlern (sorry an die Landsleute, mir ist kein besseres Pseudonym dafür eingefallen) mehr die tough-Lady oder die weiblich-aber-entschlossen-Masche? Wo ist meine Zielgruppe und wie kommt es, dass mein Lieblingslied auf der letzten Fahrt noch mal alle Boxen wackeln ließ??

Ja, es war nicht einfach - aber es ist weitgehend geschafft! Die Strategie-Wahl beim Verkauf fiel übrigens auf folgende Einstellung: hübsch und weiblich und beschützer-instinkt-auslösend, aber bei dämlichen Gegenfragen oder Preisdrück-Versuchen einfach schweigen und nett lächeln. Schweigen ist überhaupt eine der besten Waffen! Und wenn einer mir Pseudo-Internet-Recherchen auf den Bildschirm holt, erkläre ich ihm gerne ganz naiv-freundlich, dass man da auch Preisobergrenzen vorauswählen kann, die dann die Endergebnisse beeinflussen...

Fazit: das Angebot, nach Hause gefahren zu werden, habe ich abgelehnt mit (wörtlich): "Meine Mama hat mir immer davon abgeraten, mit Fremden in's Auto zu steigen." Statt dessen wurde mir freundlich der Weg zur 4min-entfernten S-Bahn erklärt und dann kam noch viel besser der beste aller Theaterfreunde zum Einsammeln und Heimfahren, wenigstens kein Fremder.

Ich finde, für ein getarntes Blondchen habe ich mich ganz gut behauptet

P.S.: Das Verkaufskleid stand mir wirklich hervorragend

Die Frage aller Fragen steht ständig im Raum, nicht nur wegen 35° warmen Bürogebäuden und Kleidungsregeln, sondern auch wegen dem anstehenden Rock-Konzert: Was ziehe ich an??

Dank Kurzhaarschnitt erspare ich meiner Umwelt vermutlich das alberne Rumgezappel in Sachen Headbangen, damit kann ich leben. Viel schwerwiegender ist jedoch, dass die coolen Klamotten, die man früher stets parat hatte für Festivals, Konzerte und sonstige wilde Aktionen, bei einem der letzten Umzüge den Weg alles Vergänglichen gingen. Die coole, etwas zu große und herrlich abgewetzte Lederjacke (von meiner ersten großen Liebe), die schon einige Bierduschen und Waschvorgänge hinter sich hatte - wech! Die schwarzen Biker-Stiefeletten, die gleichzeitig bequem und wetterfest waren, und nebenbei ellenlange Beine machten - vergangen! Der schwarze Träger-Body, der die Lederjeans perfekt ergänzte - gewesen! Und was mach' ich jetzt bitteschön??

Immerhin: die Lederjeans gibt es noch, aber ob die sich mit meiner heutigen Figur und dem getackerten Bauchnabel verträgt, wird sich erst noch herausstellen...

Strenesse hin oder her, für die wirklich wichtigen Anlässe des Lebens ist man mit >30 völlig under-equipped!