Das Oktoberfest ist das größte Volksfest der Welt - viele kennen es, alle wollen mitreden, etliche Städte kopieren es. Bereits Wochen vor dem Start verändert sich die Stadt, sie summt irgendwie: überall Trachten, auf Plakaten, in den Geschäften, an U-Bahn-Mitfahrern, in der Zeitung. Es ist ein bisschen wie in der Vorweihnachtszeit, wenn alles mit Hinweisen auf Weihnachten überfrachtet ist. Das Besondere an der Wiesn ist aber: es ist bekannt und begehrt wie Weihnachten, aber nur wir haben es!
Pünktlich am Eröffnungstag geht es los, am Vormittag trägt uns die Rolltreppe von der U-Bahn auf die Festwiese. Gleichzeitig fahren vier Musiker einer Blaskapelle bergab und fangen unterwegs an, ein Ständchen zu spielen. Bis sie unten sind und wir oben klatschen alle und die Stimmung könnte nicht besser sein.
Einige Stunden später geht es los: festlicher Einzug der Festwirte und ozapft is auch in unserem Zelt.
Bevor der erste Tag zu Ende geht, verliere ich meine Ohrstöpsel und erhalte ein Heiratsversprechen ("mit 65 vor den Traualtar") sowie die Aufforderung zu einem zweisamen Silvester auf Madeira. Ich fühle mich geschmeichelt, weiß aber trotzdem, was gut für mich ist und was nicht.
Es geht weiter rund und erst als vorletzte fliege ich schwungvoll vom Teufelsrad, Drehwurm inklusive. Getoppt wird das Ganze vom Umfaller des angereisten Hannoveraners auf dem Toboggan.
Weil's so schön war geht es an Tag 2 gleich wieder los und ich lerne: Hutklau ist eine der besten Annäherungsversuche an schnucklige Trachtler! Auch wenn unsere Mädelsrunde den armen Kerl ziemlich verwirrt hat (den Rest hat das Festbier besorgt), war der Tanz lustig und der Abend sowieso. Besonders, nachdem ich dem felsen-schweren Trachtenopa entkommen bin, der sich mit den Worten "Jetzt muss ich doch mal zum Mädels-Tisch kommen" unverrückbar auf unserer Bank niederließ. Das entspricht zwar nicht ganz unserem Beuteschema, aber auch diese Geschichten gehören zur Wiesn irgendwie dazu...
Zum Ende von Tag 2 habe ich meinen Schirm verloren und wir rennen lachend und im Laufschritt zur U-Bahn, soweit uns die Dirndl atmen lassen.
Weitere Besuche brachten weitere Erkenntnisse: Im hitzigen Festzelt die Strümpfe ausziehen wirkt sogar bei gehäkelten Trachtenstrümpfen auf Männer magisch. Meine Theorie dazu: egal was, Hauptsache die Frau zieht irgendwas aus. Meine Feldstudie zum Thema "Männer!" ist zwar noch längst nicht fertig, aber ich glaube, dieser Trend ist bereits stabil...
Einen Mann kann man auch prima mit einer (Trostpreis) Rose provozieren, er muss sofort auftrumpfen und mindestens 2 echte Rosen schießen. Eine Stunde später existiert von der einen Rose nur noch die Hälfte, die andere wurde abgebissen und verspeist, die übrige Hälfte der ramponierten Blume habe ich 50m weiter großmütig an "gib-mir-eine-Rose"-bettelnder Jungs verschenkt.
Abgesehen davon ist das Fest übrigens total entspannt, fast schon langweilig und zu trinken gibt's auch kaum was. Aber trotz fehlendem Neu-Flirt ist es zumindest keine ungeknutschte Wiesn: bereits bekannte Herren sind manchmal zur rechten Zeit am rechten Ort und dann weicht der ganze Trubel auf einmal zurück und der Taumel aus Lichtern, Wein, Menschen und Musik wirkt wie eine große Welle, auf der man am besten Arm-in-Arm mitwogt.