Durch glückliche Fügung (so oder so ähnlich) ergab sich, dass ich gestern schon wieder (und das ist was Gutes!) im Theater war:
Shakespeares STURM unter Regie von Gisli Örn Gardarsson hat heute Premiere im Marstall, ich große Theatergrande durfte bei der Premieren-Preview (= Generalprobe) dabei sein. Das Theater im Marstall ist recht klein, kombiniert mit der zentral angeordneten Käfig-Bühne ergibt das ein mittendrin-statt-nur-dabei-Gefühl. Vor allem in der ersten Reihe. Allerdings dürfte bei den max. 2 Reihen seitlich und nur wenig mehr Reihen an der Haupttribüne so ziemlich jeder Sitzplatz sehr direkt am Bühnen-Geschehen sein.
Die Handlung ist gerade zum hinteren Drittel hin so stark gekürzt, dass sie für „Neulinge“ kaum noch nachvollziehbar ist. Zum Glück bin ich gebildet und hatte vor 1,5 Jahren die alte Stefan Pucher-Inszenierung von DER STURM in in den Kammerspielen gesehen (übrigens sehr überzeugend), so dass ich die Geschichte kannte.
Was im Marstall an Handlung in den knapp 80 min. Gesamtlänge zu kurz kommt, wird durch Einfallsreichtum wett gemacht: das Käfig-Bühnenbild ist zwar nicht schön im Sinne von "Was für's Auge", wird aber so toll bespielt und über die verschiedenen Ebenen (oben / unten / ganz unten, innen / außen, schwebend...) genutzt, dass es der Inszenierung Intensität verleiht. Die Bungee-Stunt-Szenen des Königssohnes Ferdinand sind sowohl artistisch beeindruckend als auch brüllend komisch: überzogene Romantik mit Schnulzengesang bei gleichzeitiger engelsartiger Gummiseil-Schwebe-Aktion, das ist kurzweilig und verdient Respekt. Die Schlagerparodie anlässlich der Vermählung des Heldenpaares samt drumherum-Ideen ist phantastisch (hach, ich wurde herzergreifend angesungen, schmelz…) und wird nur noch gekrönt von den späteren Kampfszenen: Noch nie habe ich gesehen, dass jemand die Zeitlupen-Kampf-Choreographie aus dem Film „Matrix“ so in echt umsetzt! Und als wäre das nicht genug folgen weitere Film-Klassiker, die schließlich im Highlight des Taschenlampen-Lichtschwert-Kampfs in bester Starwars-Manier gipfeln. Es ist so gekonnt und kurzweilig, dass ich der Aufführung verzeihe, sehr blutrünstig und klirrend daherzukommen.
Gewöhnungsbedürftig für mich als Generalproben-Neuling war: es wird kaum applaudiert (oh, ich höre gerade: das bringt Unglück??) und die Schauspieler verlassen zum Schluss einfach die Bühne, ohne sich zu verbeugen. Und dabei hatte ich mich so auf den kräftigen, wenig bekleideten Caliban gefreut, der angesichts seiner Rolle während des Stückes leider mehr kroch als aufrecht ging… Zu den Darstellern bleibt zu sagen: Ariel (der Luftgeist) war so umwerfend, dass ich ihn sogar in tiefgefrorenen Frauenkleidern und schweißnass mit nach Hause nehmen würde. Schwächen fand ich keine, das trist-auslaufende Ende sowie die Unterordnung der Handlung gegenüber der Show geht in Ordnung und wer die nächsten Abende noch nicht weiß, was er mit seiner freien Zeit tun soll, sollte sich um Karten bemühen.
Angesichts des herrlichen Spätsommerwetters und der o.g. Kultur trug mich übrigens mein Fahrrad munter durch die Stadt und ich lernte einmal mehr: so ein Gepäckträger hält nicht immer alles, was er verspricht. Oder: alte Kuscheljacken entrümpeln sich auch mal selbst, wenn man wie ein gesengtes Schweinchen durch die Stadt fegt... (Sollte jemand eine schwarze, abgewetzte Fleecejacke in der Nähe des Maximilaneums finden: bitte melden!)